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Jan
03

«Ein wenig CH Bashing»

by Greg Lemmenmeier, posted on 3. January 2010 at 08:08, 7854 Views

Als ich Juror in der Best of Swiss Web Award-Jury war, stellte sich mir zwangsläufig die Frage:

"Warum zum Henker kriegen die Schweizer nie etwas international Wichtiges gebacken im WEB, das schliesslich in der Schweiz erfunden wurde?"

Dazu wäre erstmal anderes zu erwähnen. Web hat zu tun mit Kommunikation, Hineindenken können und Kreativität. Andere Bereiche sind da das TV, die Musik oder auch die Komik. Aber der Reihe nach.

Im Bereich TV zeigen die Schweizer, dass sie sich nur blamieren können. "Tag und Nacht" als Abklatsch der besten TV-Serie "House MD"? Das Resultat war dermassen peinlich, dass die Serie gleich abgesetzt wurde. Die Schweizer TV-Macher können das nicht. Da fehlt jede Qualität im Aufbau der Spannung, der Charaktere, der Tragik, und der Komik. Kostete zwar grausam viel Geld, hatte aber null Feuer.

Oder man denke an "LoveCheck", auch so was können sie halt nicht, da fehlen ihnen irgendwie die Gene dazu oder diese sind längst verkümmert.

Dann weiter mit Musik, auch da gibts kaum je Qualität aus den Schweizer Talentschmieden, mal abgesehen von den laut Musikjournalisten besten Schweizer Musiktalenten wie Sophie Hunger und Nik Bärtsch.

Aber wer mal die hiesigen Castingshows mit zum Beispiel Deutschland vergleicht, erkennt rasch, dass hierzulande mehrere Stufen tiefer produziert wird. Völlig chancenlos wären die Karaoke-Singers von "MusicStar" gegen echte Singtalente wie zum Beispiel in der Castingshow von Raab. Und die Deutschen würden sich mit Recht kringelig lachen über das insgesamt grottenschlechte Niveau unseres SF Volksfernsehens.

Das führt uns zur Komik (Standup ist hier gemeint), die ja von präziser Kommunikation und Frische lebt. Ganz vergeblich sucht man hierzulande Mega-Talente wie die deutschen Comedians Kurt Krömer, Rene Marik, Paul Panzer, Piet Klocke und mindestens 50 andere, die es im Nachbarland gibt und bei uns leider nicht. Auch unser Giaccobo war nur früher mal lustig, heute aber schon längst verkrampft und berechenbar. Gähn. Das Gegenteil von Frische und Spontaneität.

Liegt es daran, dass die Schweizer Überraschungen hassen? Solche braucht es nämlich in diesem Beruf... Doch selbst Ursus & Nadeschkin wärmen nur noch ihre alten Sketche auf. Extrrrreeeem alt, wie Nadeschkin sagen würde. Und genauso dürftig siehts im Schweizer Film aus. Nach "Höhenfeuer" und "Snow White" kam eigentlich nichts mehr, das bemerkenswert oder von internationaler Qualität war. Selbst den James Bond hat mal ein Schweizer ruiniert, Forster's Film kriegte gemäss Wikipedia schlechteste Kritiken weil der Streifen nur aus doofer Action besteht.

— Himmel, warum kriegen die Schweizer nichts Grossartiges auf die Reihe im Bereich Kommunikation, Kreation oder Interaktivität... Internet?

Glaubt man den offiziellen Statistiken, so glaubt man auch Folgendes und wundert sich schon ein wenig:

Erstens ist die Schweiz das intelligenteste Land der Welt, denn wir haben am meisten Nobelpreise pro Kopf (laut Studie der IMD). Zweitens das innovativste Land der Welt, denn wir haben am meisten Patente pro Kopf (laut Studie des IGE). Drittens das wettbewerbsfähigste Land der Welt, denn wir haben die besten ökonomischen Bedingungen (laut Studie des WEF) — notabene alles trotz hohem Ausländeranteil. Viertens ist die Schweiz das gesündeste Land der Welt mit der höchsten Lebenserwartung, welche sogar über der Lebenserwartung der sich sooo gesund ernährenden Japaner liegt (laut OECD-Statistik). Fünftens ist die Schweiz weltweit führend bei der Nutzung von Smartphones (laut Adello und anderen). Sechstens ist die Schweiz weltweit führend bei der Einführung des neuen Internetprotokolls IPv6. Und siebtens, wie bereits erwähnt, wurde das World Wide Web in der Schweiz erfunden. Wer hat's erfunden? Eben. Die Schweiz ist ein Qualitätswunder!

Das sollte doch eigentlich reichen, um auch mal ein weltweit relevantes Web-Projekt auf die Füsse zu stellen!

Aber Fehlanzeige. Beim 'Best of Swiss Web' Award gab es noch nie eine Website, die weltweit relevant war. Wir sind angeblich die Besten und die Innovativsten, dennoch erfanden wir weder eBay noch Facebook, Twitter, Amazon oder sonstwas von weltweiter Relevanz. Flop Schwiiz!

Und da meine ich explizit diejenigen Firmen und Akteure, die trotz ihren Millionenbudgets und den perfekt umsorgten Teams chancenlos bleiben im internationalen Vergleich - auf der Kippe zur Karikatur.

Warum uns die Amis mindestens fünf Jahre voraus sind: Ein Silicon Valley gibt es nur in den USA. Mit all dem was das Silicon Valley eben ausmacht: Leute die mit Unternehmertum absolut infiziert sind. Absolute Risikobereitschaft. Intensiver, offener, brutaler Wettbewerb, man kennt die Konkurrenten ganz genau.

Die USA sprechen englisch. Und das Online-Medium war zur Geburtsstunde aus der Sprache der Wissenschaft kommend ebenfalls englisch. Ein kleiner Vorsprung, der so schon bei der Adaption von digitaler Technik in den Jahrzehnten davor von Bedeutung war.

Und ein gravierender kultureller Unterschied: Das US "Just do it" gegen unser zauderndes "erstmal besprechen". Rodeo-Reiten gegen Jassen - welches Volk hat mehr Mut?

Ein weiterer kultureller Unterschied in der Kommunikation: Der Schweizer übt sich mehr in Zurückhaltung als der Deutsche und dieser wiederum mehr als der US-Amerikaner.

Das Internet ist immer noch ein Risiko für viele in der Unternehmenskommunikation und Schweizer sind wohl eher risikoavers. Sei dies aufgrund des Bubbles oder einfach, weil die technische Komponente für Marketingverantwortliche nur schwierig einzuschätzen ist. Zusätzlich ist es eine Frage der Kontrolle, einerseits von Inhalten, andererseits vom Zugriff.

Des weiteren werden -hierzulande- Zeitschriften und Zeitungen immer noch als qualitativ hochwertiger gesehen als Webseiten. Unser Fehler.

Das Internet fordert tatsächliche Präsenz, Engagement und vor allem Authentizität von Marketingverantwortlichen da der Kunde immer mehr zum "Partner" wird. Unternehmen können zwar dadurch näher an immer komplexer zu "definierenden" Kunden herantreten und von dieser Beziehung profitieren (Brand Evangelists, Lead User Innovation oder Virale Kampagnen) aber dafür fordert der User auch mehr als früher.

Es liegt nicht nur an der Kultur dieses Landes, sondern auch an der starken Stellung weniger Verlage im Online Bereich. Um ihr Kerngeschäft Print zu sichern, versuchen sie auch auf ihren verkehrsträchtigen Onlineseiten sehr hohe Werbepreise aufrechtzuerhalten. So wird Onlinewerbung relativ uninteressant.

Gleichzeitig gibt es dadurch aber Chancen für unabhängige Publisher, nur müssen die natürlich noch stärker im Vertrieb werden, ein Bereich, der dem Schweizer nicht so nahe steht, wodurch wir wieder bei der Kultur sind.

Damit schliesst sich der Kreis: Schweizer verpassen nicht nur in der Web-Kultur den Anschluss, sondern auch in anderen Kulturbereichen von TV bis Musik. Die Chancen liegen nun darin, auf diese Rückständigkeiten einzugehen.

Dazu bietet Online mehr Möglichkeiten als Offline. Die Risiken liegen darin, dieselben Fehler zu machen, die man schon immer bei schlechter Werbung machen konnte und die Veränderung der Konsumenten zu ignorieren. Die Lösung liegt darin, verstehen zu lernen, warum was im Web wo wann erfolgreich wurde.

Althergebrachte Denkweisen taugen bei diesem Lernprozess leider gar nichts.

Sondern nur das aktive "sich selber damit befassen" und lernen, was die letzten 20 Jahre im Web abgelaufen und an den Schweizern vorbei gelaufen ist. Darüber gibt es viel zu lernen - gerade jetzt.

Nach dem Motto: Wer den Zug verpasst, kann immer noch laufen.



• Posted on 3. January 2010 at 08:08     ▶ 7854 Views     ≡ Category: Points of View

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